Das Projekt Die Wüste lebt! wurde von 2018 bis 2022 realisiert. Die Förderung ist inzwischen ausgelaufen.
Von Wüsten und Oasen
Wir bekennen uns!
Wir sind die Frauen und Männer in den weißen Kitteln, die seit einigen Jahren Oberbarmen im Osten Wuppertals durchstreifen und erkunden. Einige halten uns für Ärzt:innen, wir verstehen uns als Spurensucher:innen und Raumforscher:innen mit einem mobilen Labor.
Der Stadtbezirk Oberbarmen umfasst den gleichnamigen Stadtteil und Wichlinghausen. Oberbarmen ist eine Welt für sich: Auf weniger als dreizehn Quadratkilometern leben 45.000 Menschen – aus aller Damen und Herren Länder, aus mehr als einhundert, um genau zu sein. Oberbarmen ist arm, und reich an Erfahrungen, an schillernden Lebensgeschichten und Überlebensstrategien. Eine urbane Wüste aus Beton und Hoffnungen, auf ein Leben ohne Krieg und in Würde.
Die Wüste lebt! ist eine künstlerische Intervention; alltäglich und absurd, politisch und persönlich, komisch und tragisch. Manchmal auch tragikomisch. Neben dem Stethoskop haben sich weitere Forschungsinstrumente bewährt: Respekt, Augenhöhe und vor allem – viele Fragen. Wir forschen mit den Oberbarmer:innen, nicht über sie. Seit vier Jahren wird das Kunstprojekt im Problemkiez von Utopolis gefördert, einem Modellprojekt des Bundes.
Oberbarmen ist eine Meisterin der Widersprüche, lebendig und ziemlich anstrengend. Auf den verschwenderisch breiten Bürgersteigen geht der süßliche Duft orientalischer Backwaren eine Liaison mit beißendem Uringeruch und dem Feinstaub der lärmenden Hauptstraße ein. Frauen in kunterbunten Kleidern flanieren an grauen Fassaden vorbei, erleuchtet vom Blaulicht einer Razzia in einer der unzähligen Wettbüros. Die Talachse ist urban und pulsierend, auf den Hügeln kann es dörflich und beschaulich sein. Oberbarmen ist Projektionsfläche für den rassistischen Furor Außenstehender, und so manche der Bewohner:innen lassen sich gegeneinander ausspielen: Deutsche gegen Ausländer. Arrivierte Migranten gegen Geflüchtete.
Als Sozialbotaniker:innen und situationistische Forscher:innen sind wir angetreten, gemeinsam mit den Oberbarmer:innen die Wüste im Osten Wuppertals etwas fruchtbarer zu gestalten, Oasen anzulegen.
Als russische Bomber der Ukraine den Tod brachten, errichteten Menschen aus fünf Kontinenten ein Denkmal für Frieden. Einschließlich der vergessenen Kriege, vor denen sie geflohen waren, um dann in Oberbarmen zu stranden. Als die Welt während des Lockdowns klein und eng wurde, schickten uns Menschen ihre verfassten Gedanken und ein Foto von dem Ausblick aus ihrem Fenster. Wir haben die Verdammten dieses Stadtteils gefragt, was ihnen wohl der Barmer Sozialrevolutionär Friedrich Engels anbieten würde, um sie aus dem Abseits wieder aufs Spielfeld zu führen. Und dort, wo die betuchteren Wuppertaler:innen aus anderen Stadtteilen nicht mal ihren Wagen parken würden, haben wir Liegestühle aufgestellt und Cocktails ausgeschenkt – für den Urlaub in Oberbarmen.
Was zu sagen bleibt, nach all dieser Zeit? Die Wüste lebt!